Ein Haus voller Geschichten und Geschmack: die Mainzer Gasse 16

Ein Haus voller Leben, Geschmack und Geschichten: Das historische Gebäude in der Mainzer Gasse 16 steht im Herzen Alsfelds und ist Zeugnis jahrhundertelanger Gastlichkeit. Wer heute vor seinen eindrucksvollen Fachwerkbalken steht, ahnt kaum, dass er vor einem der ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt steht. Tatsächlich wurden die ältesten Balken des Hauses dendrochronologisch auf die Jahre 1286 bis 1289 datiert – das Haus erzählt also seit über sieben Jahrhunderten Alsfelder Stadtgeschichte.

Berühmt geworden ist die Mainzer Gasse 16 durch die Metzgerfamilie Knierim, die hier ab 1695 für fast 300 Jahre ihre Metzgerei betrieb und die Alsfelder mit besten Fleisch- und Wurstwaren versorgte. Ursprünglich aus der Obergasse stammend, musste die Familie im 18. Jahrhundert umziehen, da Teile der dortigen Stadtmauer abgerissen wurden. In ihrem neuen Domizil in der Mainzer Gasse blühte die Metzgerei auf und wurde zu einer Institution.

Direkt neben der Metzgerei befand sich die legendäre „Lang Stubb“ – eine Gastwirtschaft, deren Ruf weit über Alsfeld hinausging. Hier gab es keine Speisekarte, denn jeder wusste, welche Spezialitäten ihn erwarteten: Ahleburger Käs, Rippchen mit Kraut und die beliebte „Heiß Fleischworscht“. Die Atmosphäre war herzlich und gesellig, und das Gasthaus entwickelte sich zu einem lebhaften Treffpunkt für Menschen aus dem ganzen Umland, darunter Landwirte aus Schwalm, Katzenberg und Vogelsberg, aber auch Viehhändler, Handwerker, Lehrer, Bankangestellte und Handelsreisende. Selbst der Staatsanwalt aus Gießen und seine Angeklagten kehrten hier regelmäßig ein und stärkten sich Seite an Seite nach anstrengenden Gerichtsverhandlungen.

Eine Besonderheit dieser Gastwirtschaft war, dass noch bis ins 19. Jahrhundert direkt vor der Tür geschlachtet wurde. Dies gab der nahen Vietorgasse den volkstümlichen Beinamen „Saugässche“. Bei gutem Wetter standen die Alsfelder gern auf der Straße zusammen, genossen die frischen Bratwürste und plauderten miteinander.

Doch die Zeiten änderten sich: 1986 schloss die Metzgerei Knierim ihre Türen, und das Haus wurde in den Jahren 1986 und 1987 aufwendig kernsaniert und mit dem benachbarten Gebäude Roßmarkt 13 verbunden. Seitdem fanden unterschiedliche kulinarische Konzepte ihren Weg in die historischen Räumlichkeiten: Der Geruch frisch gebratener Wurst wich zunächst heißem Fisch, später dem Duft italienischer Kräuter und zuletzt brutzelnden Burgern.

Dank regelmäßiger Restaurierungen bietet das Haus heute modernes Wohnen und Gastronomie in historischem Ambiente. An der Außenfassade fasziniert das prächtig gestaltete Wappen, eine Arbeit von Willi Weide, der auch das Logo der Deutschen Stiftung Denkmalschutz schuf.

So steht die Mainzer Gasse 16 bis heute sinnbildlich für Alsfelds Wandel und Kontinuität gleichermaßen. Ein Ort voller Geschichten, die von Gemeinschaft, Genuss und Geselligkeit erzählen. Und so dürfen wir gespannt sein, wie die Geschichte dieses besonderen Hauses in Zukunft weitergeschrieben wird.