Kirchplatz 10 – Ein Haus zwischen Geschichte und Verfall
Nicht immer strahlen besondere Gebäude im Glanz gelungener Sanierungen. Manchmal steht ihr Anblick auch für versäumte Chancen und ungelöste Konflikte. Ein solches Beispiel ist das Fachwerkhaus Kirchplatz 10 – eines der ältesten und baugeschichtlich interessantesten Gebäude der Alsfelder Altstadt.
Das über 600 Jahre alte Haus vereint Fachwerkformen aus drei Epochen/ Bauphasen und erzählt damit ein außergewöhnlich anschauliches Stück Baugeschichte. Der älteste Bauteil stammt aus dem Jahr 1392: der obere Teil der Ständerbauhalle mit seinen charakteristischen überblatteten Bändern an den Eckständern der südlichen Giebelseite. Auch das Mittelgeschoss der westlichen Traufwand gehört in diese frühe Bauphase. Um 1450 entstand das erste Obergeschoss in mittelalterlicher Ständerbauweise mit langen Knaggen. Aus dem Jahr 1585 stammen schließlich das zweite Obergeschoss, der Giebel und das auffallend steile Dach. Ein weiterer Umbau aus dem Jahr 1664 prägt das Erdgeschoss und komplettiert die über Jahrhunderte gewachsene Bausubstanz.
Heute sorgt das Gebäude überregional für Schlagzeilen – nicht wegen einer gelungenen Sanierung, sondern als Mahnmal dafür, was geschehen kann, wenn historische Bausubstanz sich selbst überlassen wird und Eigentümerinnen und Eigentümer sich nicht ausreichend um die Erhaltung ihres Kulturdenkmals kümmern. Nachdem der inzwischen verstorbene Eigentümer dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht durchgeführt hat, ist das Haus nun baufällig und einsturzgefährdet. Um die Sicherheit der Umgebung zu gewährleisten, mussten umfassende Sicherungsmaßnahmen seitens der Behörden ergriffen werden.
Die Stadt Alsfeld bemüht sich seit Jahren darum, dass Gebäude in gute Hände zu bekommen oder es gegebenenfalls auch selbst zu übernehmen. Da das Eigentumsrecht in Deutschland jedoch zu Recht einen hohen Schutz genießt, waren diese Bemühungen bislang leider nicht von Erfolg gekrönt.
Aktuell befindet sich das Haus in der Vermarktung und steht zum Verkauf.
Kirchplatz 10 ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Baukultur nicht selbstverständlich ist. Wer historische Gebäude erhält, bewahrt weit mehr als Steine und Holzbalken – er erhält ein Stück Identität und Geschichte.

